6.6.1 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine HirnvenenthromboseHartmut Gobel2019-04-22T16:59:08+00:00
Beschreibung:
Kopfschmerz, der durch eine Hirnvenenthrombose ausgelöst wird. Dieser zeigt keine spezifischen Merkmale: meist ist er diffus, fortschreitend und stark; er kann jedoch einseitig und plötzlich auftreten (sogar als Donnerschlagkopfschmerz), oder leicht und mitunter migräneartig sein.
Diagnostische Kriterien:
- Jeder neu aufgetretene Kopfschmerz, der das Kriterium C erfüllt
- Es wurde eine zerebrale Venenthrombose (ZVT) diagnostiziert
- Ein kausaler Zusammenhang kann durch die beiden folgenden Kriterien gezeigt werden:
- der Kopfschmerz hat sich in enger zeitlicher Beziehung zu anderen Symptomen und/oder klinischen Zeichen einer ZVT entwickelt oder zur Aufdeckung der ZVT geführt
- Einer oder beide der folgenden Punkte sind erfüllt:
- der Kopfschmerz hat sich zeitgleich mit klinischen und radiologischen Hinweise auf eine Ausweitung der ZVT erheblich verschlechtert
- der Kopfschmerz hat sich nach Besserung der ZVT erheblich gebessert oder ist verschwunden
- Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose.
Kommentar:
Kopfschmerzen sind das bei weitem häufigste Symptom (80% bis 90% der Fälle) einer zerebralen Venenthrombose (ZVT), und auch das häufigste Erstsymptom.
Der 6.6.1 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine Hirnvenenthrombose weist keine spezifischen Merkmale auf, ist jedoch meist diffus, fortschreitend und stark sowie von anderen Symptomen einer intrakraniellen Hypertonie begleitet. Er kann auch einseitig und plötzlich auftreten und dabei mitunter auf eine falsche Fährte führen, indem er die Symptome einer 1.1 Migräne ohne Aura, einer 1.2 Migräne mit Aura, eines 3.1 Clusterkopfschmerzes, einer 3.4 Hemicrania continua, eines 4.4 primären Donnerschlagkopfschmerzes, eines 7.2 Kopfschmerzes zurückzuführen auf einen Liquorunterdruck oder eines 6.2.2 Kopfschmerzes zurückzuführen auf eine nicht-traumatische Subarachnoidalblutung (eine ZVT kann eine Ursache einer SAB sein) imitiert.
Kopfschmerz kann die einzige Manifestation einer ZVT sein, doch in über 90% der Fälle tritt er in Begleitung fokaler Symptome auf (neurologische Defizite oder epileptische Anfälle) und/oder Symptome eines intrakraniellen Bluthochdrucks, einer subakuten Enzephalopathie oder eines kavernösen Sinussyndroms.
In Anbetracht des Fehlens spezifischer Charakteristika eines 6.6.1 Kopfschmerzes zurückzuführen auf eine Hirnvenenthrombose sollte jeder neu aufgetretene und anhaltende Kopfschmerz verdächtig sein, insbesondere dann, wenn bei einem Patienten ein erhöhtes Thromboserisiko besteht. Die Diagnose stützt sich auf zerebrale Bildgebung (MRT mit T2*-gewichteten Bildern plus MRA, oder CT-Aufnahme plus CT-Angiographie sowie in unklaren Fällen einer intraarteriellen Angiographie). Die Behandlung sollte so früh wie möglich begonnen werden und eine symptomatische Therapie, die Gabe von Heparin gefolgt von einer zumindest 6-monatigen oralen Antikoagulation und – falls indiziert – eine Behandlung der ätiologischen Faktoren beinhalten.