6.4.2 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine primäre Vaskulitis des ZNSHartmut Gobel2019-04-22T16:44:37+00:00
Früher verwendeter Begriff:
Kopfschmerz zurückzuführen auf eine isolierte zerebrale Angiitis oder granulomatöse Vaskulitis des ZNS
Beschreibung:
Kopfschmerz verursacht durch und symptomatisch für eine primäre Vaskulitis des Zentralnervensystems. Kopfschmerzen sind das vorherrschende Symptom dieser Erkrankung, diesen fehlen jedoch spezifische Merkmale.
Diagnostische Kriterien:
- Jeder neue Kopfschmerz, der das Kriterium C erfüllt
- Es wurde eine primäre Vaskulitis des Zentralnervensystems diagnostiziert
- Ein kausaler Zusammenhang kann durch eines oder beide der folgenden Kriterien gezeigt werden:
- Der Kopfschmerz tritt in engem zeitlichem Zusammenhang mit anderen Symptomen und/oder klinischen Zeichen für den Beginn einer primären Vaskulitis des ZNS auf oder hat zu Diagnose einer primären Vaskulitis des ZNS geführt
- Einer oder beide der folgenden Punkte sind erfüllt:
- der Kopfschmerz hat sich parallel zur Verschlechterung der primären Vaskulitis des ZNS deutlich verschlechtert
- der Kopfschmerz hat sich parallel zur Besserung der primären Vaskulitis des ZNS infolge der Behandlung mit Kortikoiden und/oder Immunsuppressiva deutlich gebessert
- Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose1.
Anmerkung:
- Es wurde durch geeignete Untersuchungen, insbesondere eine ZNS-Infektion, eine Neoplasie des ZNS und ein reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom ausgeschlossen.
Kommentar:
Kopfschmerzen sind das Leitsymptom einer primären oder sekundären Vaskulitis des ZNS. Sie sind in 50 bis 80% der Fälle vorhanden – je nach eingesetztem Diagnoseverfahren, d.h. Angiographie oder Histologie. Die Kopfschmerzen haben kein spezifisches Muster und sind deshalb nur von geringem diagnostischen Nutzen, bis andere Symptome wie fokal-neurologische Defizite, epileptische Anfälle, Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit oder Störungen des Bewusstseins auftreten. Das Fehlen von Kopfschmerzen und einer Pleozytose im Liquor macht jedoch die Diagnose einer zerebralen Vaskulitis unwahrscheinlich.
Bei einer primären Vaskulitis des ZNS können angiographische Befunde vorliegen, die recht ähnlich wie die bei einem reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) sind, darunter eine multifokale Stenose der intrakraniellen Arterien; rezidivierende Donnerschlagkopfschmerzen sollten die Diagnose eines RCVS und nicht einer primären Vaskulitis des ZNS nahelegen.
Die Pathogenese eines 6.4.2 Kopfschmerzes zurückzuführen auf eine primäre Vaskulitis des ZNS ist multifaktoriell: Entzündung, Infarkt (ischämisch oder hämorrhagisch), erhöhter intrakranieller Druck und/oder Subarachnoidalblutung kommen infrage.
Der Behandlungseffekt ist weit weniger dramatisch als bei dem 6.4.1 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine Riesenzellarteriitis. Eine histologisch nachgewiesene primäre Vaskulitis des ZNS ist eine ernste und nicht selten tödlich verlaufende Erkrankung.