9.1.2 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine virale Meningitis oder EnzephalitisHartmut Gobel2019-04-22T10:23:25+00:00
Beschreibung:
Kopfschmerz infolge einer viralen Meningitis oder Enzephalitis, typischerweise mit Nackensteifigkeit und Fieber und je nach Umfang der Infektion variabel begleitet von neurologischen Symptomen und/oder Zeichen bis hin zu psychomentalen Veränderungen.
Diagnostische Kriterien:
- Kopfschmerz, der das Kriterium C erfüllt
- Es wurde eine virale Meningitis oder Enzephalitis diagnostiziert
- Ein kausaler Zusammenhang kann durch mindestens zwei der folgenden Kriterien gezeigt werden:
- Der Kopfschmerz hat sich in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der viralen Meningitis oder Enzephalitis entwickelt
- Der Kopfschmerz hat sich gleichzeitig mit einer Verschlechterung der viralen Meningitis oder Enzephalitis deutlich verschlechtert
- Der Kopfschmerz hat sich gleichzeitig mit einer Besserung der viralen Meningitis oder Enzephalitis deutlich gebessert
- Der Kopfschmerz erfüllt einen oder beide der folgenden Punkte:
- holokraniell
- in der Nuchalregion lokalisiert und von Nackensteifigkeit begleitet
- Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose.
Kommentar:
Der Verdacht auf einen 9.1.2 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine virale Meningitis oder Enzephalitis sollte immer dann in Betracht gezogen werden, wenn ein Kopfschmerz in Begleitung von Fieber, Nackensteifigkeit, Lichtempfindlichkeit und Übelkeit und/oder Erbrechen auftritt.
Die Enteroviren spielen bei 9.1.2 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine virale Meningitis oder Enzephalitis meist die größte Rolle, diverse andere virale Erreger können aber auch verantwortlich sein, so u. a. Arboviren, Polioviren, Echoviren, Coxsackie-Viren, Herpes-simplex-Viren, Varicella-zoster-Viren, Adenoviren und Mumpsviren. In den meisten Fällen ist die Identifizierung des verursachenden Virus mit Hilfe der Liquor-Polymerase-Kettenreaktion (PCR) erfolgreich. Ein positiver Liquor-PCR-Befund auf Herpes-simplex-Viren (HSV) vom Typ 1 oder 2 und der serologische Befund für HSV-1&2 DNA führen zur Annahme der Diagnose einer Herpes-simplex-Enzephalitis. In manchen Fällen ist die Liquor-PCR positiv für humane Herpesviren (HHV) Typ 6 oder 7. Es ließ sich dokumentieren, dass die PCR-Sensitivität sich um mehr als die Hälfte reduziert, wenn der Test eine Woche nach Symptombeginn durchgeführt wird, was zu falsch negativen Ergebnissen führt. Fällt die nach einer Woche durchgeführte PCR negativ aus, kann die Diagnose auf Grundlage eines veränderten Liquor/Blut-Antikörper-Verhältnisses gestellt werden.
Wie bei der intrakraniellen bakteriellen Infektion kann es bei einer viralen Infektion schwierig sein, zwischen einer reinen Beteiligung der Meningen und einer reinen Beteiligung des Gehirns zu unterscheiden. Dennoch ist das Treffen und Bewahren dieser Unterscheidung von Bedeutung, da die beiden Erkrankungen prognostisch voneinander abweichen, mit einer ungünstigeren Prognose bei enzephalitischer Beteiligung. Aus diesem Grund werden für 9.1.2.1 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine virale Meningitis und 9.1.2.2 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine virale Enzephalitis jeweils eigene Kriterien angegeben.
Ebenfalls abweichend von einem 9.1.1 Kopfschmerz zurückzuführen auf eine bakterielle Meningitis oder Meningoenzephalitis wird ein anhaltender postinfektiöser Subtyp eines 9.1.2 Kopfschmerzes zurückzuführen auf eine virale Meningitis oder Enzephalitis nicht belegt und wurde deshalb nicht berücksichtigt.