7.2.3 Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes LiquorunterdrucksyndromHartmut Gobel2019-04-22T14:18:09+00:00
Früher verwendete Begriffe
Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes Liquorunterdrucksyndrom oder eine primäre intrakranielle Hypotension; Kopfschmerz infolge eines Liquormangels; hypoliquorrhoischer Kopfschmerz.
Beschreibung:
Orthostatischer Kopfschmerz infolge eines Liquorunterdrucks spontanen Ursprungs. Dieser wird üblicherweise von Nackensteifigkeit und subjektiven Hörsymptomen begleitet. Er verschwindet nach Normalisierung des Liquordrucks.
Diagnostische Kriterien:
- Kopfschmerz, der die Kriterien für einen 7.2 Kopfschmerz zurückzuführen auf einen Liquorunterdruck und das Kriterium C unten erfüllt
- Nichtvorliegen eines Eingriffs oder Traumas, von dem bekannt ist, dass er/es ein Liquorleck nach sich ziehen kann1
- Der Kopfschmerz hat sich in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten eines Liquorunterdrucks oder Liquorlecks entwickelt oder führte zu deren Entdeckung2
- Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose.
Anmerkung:
- Ein 7.2.3 Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes Liquorunterdrucksyndrom kann nicht bei Patienten diagnostiziert werden, bei denen innerhalb des Vormonats eine Durapunktion vorgenommen worden ist.
- Bei Patienten mit positiven Anzeichen eines Liquorlecks im MRT etwa in Form eines duralen Kontrastmittel-Enhancements ist eine Durapunktion zur direkten Messung des Liquordrucks nicht erforderlich.
Kommentar:
Das Auftreten spontaner Liquorlecks wurde mit erblichen Bindegewebserkrankungen in Verbindung gebracht. Patienten mit einem Liquorleck sollten auf Bindegewebs- und vaskuläre Anomalien überprüft werden.
Zwar besteht bei einem 7.2.3 Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes Liquorunterdrucksyndrom in den meisten Fällen eine eindeutige orthostatische Komponente, diese ist vielleicht nicht so dramatisch oder unmittelbar wie bei einem 7.2.1 postpunktionellen Kopfschmerz. Demzufolge kann ein 7.2.3 Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes Liquorunterdrucksyndrom unmittelbar auftreten oder innerhalb von Sekunden nach der Einnahme einer aufrechten Haltung und nach dem Hinlegen schnell wieder verschwinden (innerhalb von 1 Minute), ähnlich wie beim 7.2.1 postpunktionellen Kopfschmerz, oder er zeigt eine verzögerte Reaktion auf eine orthostatische Veränderung, indem er sich Minuten oder Stunden nach der aufrechten Haltung verstärkt und sich nach dem Hinlegen innerhalb von Minuten oder Stunden bessert, wenngleich nicht verschwindet. Bei der Anamnese sollte ein orthostatischer Kopfschmerzcharakter beim anfänglichen Auftreten des Kopfschmerzes eruiert werden, da dieses Merkmal im Laufe der Zeit weniger offensichtlich werden kann.
Bei Patienten mit typischem orthostatischem Kopfschmerz ohne offenkundige Ursache sowie nach Ausschluss eines posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms (POTS) bietet sich in der klinischen Praxis die lumbale Versorgung mit einem autologen epiduralen Blutpflaster (EBP) an. Zwar zeigen EBPs häufig Wirkung, wenn es um die Abdichtung von Liquorlecks geht, doch sprechen Patienten vielleicht nicht dauerhaft auf ein einmalig gesetztes EBP an und eine vollständige Symptomfreiheit lässt sich womöglich erst nach dem Setzen von zwei oder noch mehr EBPs erzielen. Von einem gewissen Grad an anhaltender Verbesserung über ein paar Tage hinaus wird jedoch generell ausgegangen. In einigen Fällen lässt sich eine länger anhaltende Verbesserung nicht mit gezielten (am Situs des Liqorlecks) und/oder nicht-gezielten lumbalen EBPs erreichen, und es kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein.
Es ist nicht eindeutig, dass alle Patienten mit einem 7.2.3 Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes Liquorunterdrucksyndrom ein aktives Liquorleck aufweisen, trotz einer schlüssigen entsprechenden Vorgeschichte oder Anzeichen in der zerebralen Bildgebung, die mit einem Liquorleck vereinbar sind. Die zugrunde liegende Störung kann ein Liquormangel sein. Anamnestisch lässt sich häufig eine triviale Liquordruckerhöhung, z.B. durch starkes Husten, erfragen.
Orthostatische Kopfschmerzen sind postkoital beschrieben worden: Diese Kopfschmerzen sollten unter 7.2.3 Kopfschmerz zurückzuführen auf ein spontanes Liquorunterdrucksyndrom kodiert werden, da sie höchst wahrscheinlich auf ein Liquorleck zurückzuführen sind.